Walter Franzke, der Autor des Buches “Deutsche mit Ziel: Paris – Auf den Spuren von Marlene, Romy & Co” hat uns freundlicherweise ein Kapitel aus seinem Reiseführer zur Veröffentlichung überlassen.
Dieser ungewöhnliche Porträt-Reiseführer spürt den Geschichten deutscher Persönlichkeiten nach – und lädt den interessierten Parisbesucher und Flaneur ein, vor Ort die Wege und Lebenswelten so bekannter Persönlichkeiten wie Marlene Dietrich, Karl Marx oder Erich Kästner über die Zeiten hinweg aufzuspüren. Ergänzt werden die Porträts durch ausgefeilte Tourenvorschläge – durch fast alle der 20 Arrondissements – zu den Wohn- oder Arbeitsadressen der Porträtierten. Ein Gewinn für alle Reisenden, die gern abseits der bekannten Pfade unterwegs sind.
Hier das Kapitel:
Meret Oppenheim – von der Schwierigkeit weiblicher Künstler
Parisreisende werden sich sicher beim ersten Mal die wichtigsten Sehenswürdigkeiten vornehmen, kommt man aber zum zweiten, dritten oder vierten Mal, kann man schon anders vorgehen. Vorstellbar ist das Aufsuchen von „Geheimtipps“, aber man kann in dieser Metropole zugleich ebenso gut an der Optimierung der eigenen Fähigkeiten arbeiten. Unsichere Kandidaten, die keine perfekte Bechamel-Sauce hinbekommen oder denen die stilechte Zerlegung von Geflügel missglückt, bietet z.B. das Pariser Rathaus und der französische Amateurkochverband (unter www.ffcuisine.fr) von Juni bis Oktober kostenlos Kochkurse mit Hugues Le Bourlay und Arnaud Dauvergne auf verschiedenen Märkten zwischen Gemüse- und Käseständen an. Tanzfreudige können draußen im Sommer am Seine-Ufer gegen 21.00 Uhr gratis Freiluftkurse in Tango, Salsa oder Swing besuchen oder die im Internet leicht auffindbaren Angebote von Paris Plages nutzen. Eine ausgefallenere Art der persönlichen Fortbildung ist der spontane Besuch der Académie de la Grande Chaumière in der Rue de la Grande Chaumière Nr. 14, einer 1902 gegründeten Kunstakademie am Montparnasse, die sich als offene Kunstschule versteht und keine mehrjährigen Aufbaukurse im Programm hat. Man kann sich für einen bestimmten Zeitraum (Wochen, Tage oder Stunden) einschreiben und dann – mit oder auch ohne Hilfe einer Lehrkraft – Skizzen anfertigen, wobei sich die abendlich stattfindenden „Croquis à cinq minutes“ einer besonderen Beliebtheit erfreuen. 1932 hat sich hier eine 18-jährige Deutsche namens Meret Oppenheim angemeldet, das Angebot aber nur sporadisch besucht und sich dann im Dunstkreis der zwischen 15 und 25 Jahre älteren männlichen Protagonisten der Surrealisten-Bewegung zu einer der bedeutendsten und eigenwilligsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts entwickelt.
Das Licht der Welt erblickt sie am 6. Oktober 1913 in (Berlin-) Charlottenburg als erste Tochter des Hamburger Arztes Erich Alphons Oppenheim und seiner Schweizer Frau Eva Oppenheim-Wenger. Bei der Wahl des Namens hat sich das Elternpaar von Gottfried Kellers „Meretlein“ aus dem „Grünen Heinrich“ inspirieren lassen; das familiäre Umfeld begünstigt von Anfang an eine freiheitsliebende und künstlerische Entwicklung ihrer Person. Lisa Wenger-Ruutz, die Großmutter, hatte als eine der ersten Frauen die Kunstakademie in Düsseldorf besucht, ist Malerin und zugleich eine berühmte Kinderbuchautorin. Ihre Tante, Ruth Wenger, arbeitet als Sängerin und Malerin, verheiratet ist sie einige Jahre mit Hermann Hesse. Merets Mutter hatte ihren Beruf als Krankenschwester nach der Heirat aufgegeben, während der Vater als Gegenpol einen eher konventionellen Lebensstil bevorzugt und Tugenden wie den Ethos der Wahrheit sowie der Nächstenliebe persönlich vorlebt. Er vermittelt ihr früh die Lehren von C.G. Jung, dessen Traumdeutung und die Archetypen des Männlichen wie Weiblichen. Das Oppenheimsche Haus gilt als gastfreundlich und offen. Meret genießt eine evangelische Erziehung, nach Absolvierung der Volksschule besucht sie die Oberrealschule in Schopfheim, eine Privatschule in Zell, die Rudolf-Steiner-Schule in Basel, das Herrnhuter Mädcheninternat in Königsfeld/Schwarzwald und die Oberschule in Lörrach. Die Steiner-Schule erwähnt im Halbjahreszeugnis 1928 lobend ihre Phantasie und ihre Kreativität, konstatiert aber auch: „Intellektuell ist Meret noch nicht geweckt. Rechnen ist ihre schwache Seite. Da hat sie keine Gewandtheit und kein Verständnis.“
Viele Sommer ihrer Kindheit verbringt sie in Carona, wo die Großeltern mütterlicherseits ein Haus besitzen. Neben Streifzügen durch den Tessiner Garten und Wald kommen ergänzend spannende Familiengäste wie Emmy Hennings, Hugo Ball u.a., viel Spaß bereitet ihr auch die Basler Fasnacht mit ihren faszinierenden Masken. Früh nehmen sie ihre Eltern in Kunstausstellungen mit, wobei sie als 16-Jährige in besonderer Weise von einer Bauhaus-Exposition mit den Werken Paul Klees und dessen Abstraktionen angetan ist. In dieser Zeit der Pubertät zeigt sie allerdings mehr als deutlich, als sie z.B. in ihrem Matheheft hinter einer komplizierten Gleichung als Ergebnis einen kleinen orangefarbenen Hasen malt, dass sie sich den weiteren Weg anders vorstellt. Ihr Vater schickt sie nach diversen Eskapaden zu seinem befreundeten Kollegen C.G. Jung, der allerdings konstatiert, „Ich habe nicht den Eindruck, als ob irgend eine neurotische Komplikation vorläge“, sie sei lernfähig und habe dazu „künstlerisches Temperament“, „Unkonventionalität“ und „natürliche Intelligenz„. Vater Erich sieht notgedrungen ein, dass die Matura nicht das Ziel für seine älteste Tochter sein kann und stellt sie nach dem vorzeitigen Verlassen des Gymnasiums 1931 vor die Wahl, Paris oder München als Ausbildungsort für ihre so ersehnte Künstlerkarriere auszusuchen. Dass man seine Tochter in diesem Alter so einfach ziehen lässt, ist nicht gerade üblich in dieser Zeit, Merets Großmutter Lisa sagt der jungen Frau ein unruhiges Leben durch „Himmel und Hölle“ voraus.
Ihre Befreiung wird Wirklichkeit, als sie im Mai 1932 mit der älteren Freundin und Malerin Irène Zurkinden in den Zug Richtung französische Kunstmetropole steigt. Auf der Bahnfahrt trinken sich beide noch mit einigen Gläschen Pernot entsprechend Mut an, bevor sie dann in Paris nach einer Bleibe suchen müssen. Meret nimmt sich ein Zimmer im Hotel Odessa im künstlerischen Brennpunkt Montparnasse, die Verständigung auf Französisch ist mangels ihrer Sprachkenntnisse eher holprig. Das hält sie nicht davon ab, direkt als nächstes die Bastion der Künstler, das „Café du Dôme“, aufzusuchen, noch bevor sie sich in der Academie de la Grande Chaumiere einschreibt. Diese wird von der Schweizer Malerin Martha Stettler, ihrer baltischen Malerfreundin Alice Dannenberg und Claudio Castelucho geleitet. Eher sporadisch besucht sie die angebotenen Kurse dort, die sie schnell langweilen, ihre Tage verbringt sie am liebsten in Galerien und Cafés. Als auffälliger Stammgast findet sie schnell Kontakt zu dem Schweizer Künstler Hans Arp und durch diesen wiederum zu Alberto Giacometti, die sie ihrerseits wieder in den Kreis der Surrealisten um André Breton einführen. Diesem dient das „Café de la place Blanche“ als Stammlokal. Merets Schönheit, Intelligenz, Lebenshunger und Freiheitsdrang, eine schamanische Mischung, bezirzen die berühmten Protagonisten. Sie beginnt 1934 eine intensive Liebesbeziehung mit Max Ernst, den sie auf einem Fest bei Hans Rudolf Schiess kennenlernt, im „Café de Flore“ trifft sie auf Picasso und Dora Maar. In einem Brief vom März 1933 schreibt sie euphorisch: „Aber ich weiß jetzt, warum es nicht unnötig ist hier zu sein. Denn wenn ich auch nicht einen speziellen Lehrer habe, so habe ich doch viele, dadurch, dass ich hier viel sehe und höre.“
Ihr Hotelzimmer am Montparnasse fungiert zugleich als Atelier, autodidaktisch arbeitet sie an Zeichnungen, Gemälden, Collagen, Objekten und schreibt Gedichte. Eines Tages besuchen sie ihre beiden Bewunderer Giacometti und Hans Arp, um sich ihre Arbeiten anzusehen und sind danach so angetan, dass sie sie zur Teilnahme an der 6. Surrealisten-Ausstellung im „Salon des surindépendants“ einladen. Bereits Max Ernst, Marcel Duchamps, Georges Braque, Yves Tanguy u.a. haben ihre Werke hier in der Galerie Charles Ratton vorgestellt und diese (bis 1937 jährlich wiederkehrende) Chance lässt sie sich natürlich nicht entgehen. Von Man Ray lässt sie sich 1934 überreden, sich nackt beim Bildzyklus „Érotique voilée“ fotografieren zu lassen. „Ich ließ mich von ihm fotografieren, weil er gute Bilder machte und aus Freundschaft. Ich war nicht sein Modell, sondern eine Kollegin.“ Meret steht als Halbfigurenakt hinter einem Druckpressenzahnrad im Atelier des Malers und Druckers Louis Marcoussis in der Rue Caulaincourt, danach veröffentlicht er die Bilder in der Kunstzeitschrift „Minotaure“, was zu sehr zwiespältigen Reaktionen in ihrer Heimat führt. Den kurzen, z.T. missverstandenen Ausflug ins Leben der Objekte übersteht sie selbst, indem sie weiter künstlerisch eigenständig wirkt und 1935/36 mit den Surrealisten außer in Paris noch in Kopenhagen, London und New York fleißig ausstellt. Und dann gelingt ihr etwas Besonderes: Im Frühjahr 1936 stichelt Pablo Picasso bei einem Besuch im „Café de Flore“ angesichts eines von Meret selbst gefertigten Armreifs mit Pelzbesatz, man könne wohl alles damit überziehen. Genau an diese Gelegenheit erinnert sie sich, als kurze Zeit später André Breton sie für einen Beitrag zu einer Ausstellung anfragt, und lässt ein billiges Set mit Tasse, Unterteller sowie Löffel bei Monoprix kaufen, was sie final mit einem Gazellenfell überzieht. Breton benennt es – etwas selbstherrlich – in „Déjeuner en fourrure“ um und keine zwei Wochen später wird das in der Galerie Cahiers d’Art ausgestellte Pelz-Ensemble von Alfred Barr, dem Direktor des damals noch jungen Museum of Modern Art, zum Preis von 250 Schweizer Franken für die Sammlung gekauft. Die Tasse gelangt auf diesem Weg nach New York, wo sie zum surrealistischen Objekt par excellence erklärt wird.
Dieser Coup ist der jungen Künstlerin von den Altmeistern nicht zugetraut worden. Sie wird später für ihre persönliche Entwicklung auch die plötzliche Trennung von Max Ernst nach anderthalb Jahren verantwortlich machen, der ihr nach diesem Schlussstrich schreibt: „Ich kann Dir sagen, ganz unsurrealistisch und unplatonisch, dass ich kaum lebe, seitdem Du plötzlich weg bist“. Ab dem Herbst 1935 wendet sie sich Marcel Duchamp zu, eine eher nüchterne Verbindung, die erst durch seine Emigration in die USA 1942 unterbrochen werden wird. Nicht nur die Neider setzen ihr zu, auch die finanzielle Unterstützung durch ihre Eltern bleibt aus, da ihr Vater als Halbjude in Deutschland nicht mehr arbeiten darf. Um sich über Wasser zu halten, entwirft sie für die Modedesignerin Elsa Schiaparelli Schmuckstücke, Unterwäsche, zum Teil sehr elaborierte Kleidungsstücke, auch das Modehaus Rochas nutzt ihre Dienste. – Dann stürzt sie in eine langjährige Schaffenskrise, Schwermut sowie Selbstzweifel gewinnen Macht über sie und 1937 beschließt sie die Rückkehr nach Basel. Zwar arbeitet sie in dieser bis 1954 andauernden Phase weiter und nimmt nochmals 1939 mit dem bekannten „Tisch mit den kralligen Vogelfüßen“ an einer Ausstellung phantastischer Möbel in der Pariser Galerie René Drouin und Leo Castelli teil, doch vernichtet sie vieles oder belässt es unfertig. In der Schweizer Heimat besucht sie für zwei Jahre die Allgemeine Kunstgewerbeschule, wo sie neben einer klassischen Malereiausbildung auch das Restaurieren erlernt. Kontakte nach Paris hat sie zu dieser Zeit fast nur noch zu Alberto Giacometti; der regionalen Baseler Gruppe 33 und der Schweizer Künstlervereinigung „Allianz“ ist sie lose verbunden. Die Situation verbessert sich etwas, als sie 1949 Wolfgang La Roche heiratet und im gleichen Jahr über Arnold Rüdlinger zusätzlich Kontakt mit der Berner Kunstszene um Daniel Spoerri, Dieter Roth und Jean Tinguely aufbaut. An Kinder verschwendet sie am neuen Wohnsitz (Rheinsprung in Basel) keine Gedanken, für sie zerstören Kinder den Körper und beschränken die Freiheit, vor allem auch ihre künstlerische. Nach dem Ende des Weltkriegs hält sich Meret denn auch ein weiteres Mal 1950 in Paris auf und trifft ihre Freunde, die sie vor dem Krieg verlassen musste.
Mit einem Schlag ist 1954 ihr Tal überwunden: „Die Krise verging fast von alleine. Das war ein innerer Vorgang, der von einer zur anderen Sekunde vorüber war. Ich konnte in jener Nacht nicht schlafen, weil ich wusste, dass fortan alles anders wird“. In ihrem daraufhin angemieteten Atelier in Bern schafft sie mit Fantasie und Experimentierlust wieder Objekte, Skulpturen, Zeichnungen, Ölgemälde, Assemblagen, Collagen, Mode, Schmuck, Möbel und Gedichte und entzieht sich mit der Verwendung mannigfaltiger Techniken und vielfältiger, oft natürlicher Materialien jeglichen stilistischen Einordnungsversuchen. Ausstellungen im Ausland und das 1959 inszenierte „Frühlingsfest“, bei dem Feiernde Langusten, Tartar und kandierte Veilchen auf dem Körper einer nackten Frau verspeisen, folgen. Im Alltag ist sie gerne und regelmäßig auf Mottoabenden oder der Basler Festnacht anwesend, sie nimmt an feministischen Diskussionen teil, ohne sich vereinnahmen zu lassen und ihre Antwort “Don`t cry, work“ lebt sie selbst vor. Fleißig und diszipliniert arbeitet sie ab 1972 in ihren drei Ateliers in Bern, Paris und Carona im Tessin, 1975 erregt sie – neben ihren Werken – noch mit einer Rede anlässlich der Verleihung des Kunstpreises der Stadt Basel Aufsehen: „Noch schwieriger ist es immer noch für einen weiblichen Künstler […] Bei den Künstlern ist man es gewöhnt, dass sie ein Leben führen, wie es ihnen passt – und die Bürger drücken ein Auge zu. Wenn aber eine Frau das gleiche tut, dann sperren sie die Augen auf. Das und vieles andere muss man in Kauf nehmen“. 1982 nimmt sie an der documenta 7 in Kassel teil, im Folgejahr wird in ihrer Heimatstadt Bern auf dem Waisenhausplatz ein Brunnen nach ihren Plänen aufgestellt, der von Presse und Bevölkerung kontrovers diskutiert wird. Auch Paris erhält noch eine von ihr geschaffene Brunnenskulptur für die Jardins de l’ancienne école Polytechnique (Fontaine de la Spirale), bevor sie an ihrem 72. Geburtstag ungefragt prognostiziert: „Ich sterbe noch mit dem ersten Schnee“. Anlässlich einer am nächsten Tag stattfindenden Vernissage zu ihrem Buch „Carolin“ hält sie sich in der Galerie Fanal im St. Alban-Tal auf, wo sie einen leichten Herzinfarkt erleidet. Im Krankenwagen brieft sie den Sanitäter: „Hören Sie, ich will keine Musik und keinen Pfarrer“. Als sich am nächsten Tag der Herzchirurg nach der Untersuchung mit «Au revoir, Madame Oppenheim» veabschiedet, erwidert Meret: «Je ne crois pas.» Zehn Minuten später erliegt sie dem nächsten Herzinfarkt. Sogar den eigenen Tod will sie offensichtlich selbst entscheiden, ein Drittel der Werke aus dem Nachlass gelangt gemäß ihrem letzten Willen als Legat an das Kunstmuseum Bern.
Meret Oppenheim ist nach Paris ausgezogen, um ihre selbst verspürte, künstlerische Ader inspirieren zu lassen. Eine Zeitlang fühlte sie sich den Surrealisten verbunden und schenkte ihre Aufmerksamkeit dem Unterbewusstsein, mit Sinn für den Tabubruch und den überraschenden Moment. Zurückgegeben hat sie dieser stark französisch bestimmten Kunstrichtung ein Exponat, das für immer weltweit als die bis heute berühmteste und wichtigste surrealistische Plastik gilt. Dann ging sie auf Distanz zu den zwischen 15 und 25 Jahre älteren männlichen Protagonisten der Bewegung, indem sie in die Kluft zwischen Natur und Kultur, Mann und Frau, Abbild und Abstraktion schaute und sich verwandelte. In späten Jahren hat sie der französischen Hauptstadt, der sie eigentlich immer verbunden war, mit der „Fontaine de la Spirale“ ein weiteres Geschenk für das Stadtbild vermacht. Betrachtet man ihr Lebenswerk, so ergeben sich auffällig viele Parallelen zu der französisch-amerikanischen Bildhauerin Louise Bourgeois, deren Anfänge gleichfalls im Surrealismus fußten, die sich mit unterschiedlichsten Materialien und Techniken auseinandersetzte und erst spät eine Wertschätzung den internationale Kunstbetrieb erfuhr. Die französisch-deutsch-schweizerische Vernetzung der Meret Oppenheim hat zu einer klassischen Win-Win-Situation für alle Seiten geführt, das Blicken über den pelzigen Teetassenrand muss fortgesetzt werden und sollte zukünftig mindestens einige NachahmerInnen auf den Plan rufen.
Zitat: „In meinem Kopf sind die Gedanken eingeschlossen wie in einem Bienenkorb. Später schreibe ich sie nieder. Die Schrift ist verbrannt, als die Bibliothek von Alexandrien brannte. Die schwarze Schlange mit dem weißen Kopf steht im Museum in Paris. Dann verbrennt auch sie. Alle Gedanken, die je gedacht wurden, rollen um die Erde in der großen Geistkugel. Die Erde zerspringt, die Geistkugelplatzt, die Gedanken zerstreuen sich im Universum, wo sie auf andern Sternen weiterleben.“
(Meret Oppenheim, Passage aus Selbstporträt seit 50.000 v. Chr. bis X, 1980)
Literatur/ Weblinks
- Therese Bhattacharya-Stettler und Matthias Frehner (Hrsg.): Meret Oppenheim. „mit ganz enorm wenig viel“. Hatje Cantz, Ostfildern 2006
- Bice Curiger: Meret Oppenheim. Spuren durchstandener Freiheit. Scheidegger & Spiess, Zürich 2002
- Christiane Meyer-Thoss (Hrsg.) Aufzeichnungen 1928–1985: Träume. Gachnang & Springer, Bern 1986
- Lisa Wenger, Martina Corgnati (Hrsg.): Meret Oppenheim – Worte nicht in giftige Buchstaben einwickeln. Das autobiografische Album „Von der Kindheit bis 1943“ und unveröffentlichte Briefwechsel. Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich 2013
- und 14. Arrondissement
wenn Sie die frühe Wirkungsstätte von Meret Oppenheim nachvollziehen wollen. Das Hotel Odessa in der Rue d’Odessa Nr. 28 am Montparnasse (14. Arrondissement) wird bis heute in dieser Funktion geführt. Es ist ein Zwei-Sterne-Hotel – inzwischen modern eingerichtet – mit fairen Übernachtungspreisen und einer guten Ausgangsposition für viele Ziele in der Stadt. Ein prominenter Gast vor ihr war übrigens Leo Trotzki im November 1914, damals Redakteur der Zeitung „Golos“. Das von Meret und vielen anderen bekannten Künstlern gern besuchte „Café du Dôme“ befindet sich bis heute im gleichen Stadtteil am Boulevard du Montparnasse 109, an der Ecke zur Rue Delambre. Auch das „Café de Flore“ kann noch für einen Café au lait oder anderes aufgesucht werden, es liegt im 6. Arrondissement an der Ecke des Boulevard Saint-Germain und der Rue Saint-Benoît. Anders verhält es sich mit dem „Café de la place Blanche“, das nicht mehr existiert.
Leider lässt sich die genaue Hausnummer vom Atelier des Malers und Druckers Louis Marcoussis in der Rue Caulaincourt, in dem der Man Ray-Bildzyklus „Érotique voilée“ aufgenommen wurde, nicht mehr ermitteln. Allerdings beherbergte die Straße weitere künstlerische Berühmtheiten: In Nr. 21 arbeitete Toulouse-Lautrec und in Nr. 73 wohnte Auguste Renoir um 1910. Der damals schon berühmte Fotograf Man Ray residierte in der Rue Campagne Premiere Nr. 31. Das letzte Atelier von Meret befand sich in der Rue Beautreillis, unweit des Place des Vosges, im 4. Arrondissement, nicht zuletzt bekannt dadurch, dass dort in Nr. 17-19 Jim Morrison im zweiten Stock links im Badezimmer tot aufgefunden wurde. Die „Fontaine de la Spirale“ kann auf dem Gelände der alten École Polytechnique im Jardin Carré in Augenschein genommen werden (postalisch 11-19, Rue Descartes).